Steuerliche Fallstricke bei werkvertraglichen Lieferungen im B2B-Bereich

Ein Blick auf die Umsatzsteuerpflicht im internationalen Geschäftsverkehr – Teil 2 werkvertragliche Lieferungen in Deutschland

Werkvertrag Grundsatz
Der Werkvertrag bildet eine essenzielle Grundlage für zahlreiche unternehmerische Transaktionen und stellt insbesondere im Kontext der Mehrwertsteuer eine bedeutende steuerrechtliche Herausforderung dar. Ein Werkvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass die Auftragnehmerin sich gegenüber der Bestellerin verpflichtet, ein bestimmtes Werk herzustellen oder zu liefern. Hierbei ist entscheidend, dass nicht nur der physische Akt der Lieferung im Vordergrund steht, sondern auch die Herstellung des Werks an sich. Die Qualifikation eines Werkvertrages ergibt sich somit aus der Kombination von Herstellungsverpflichtung und Werklieferung. Beispielsweise qualifizieren die Lieferung und Installation einer Abfüllanlage oder das Verlegen von Pflastersteinen auf einem Vorplatz als werkvertragliche Lieferungen

Ort der Lieferung und Verfügungsmacht zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes
Der Ort der Lieferung von Gegenständen, die im Rahmen von Werkverträgen geliefert werden, befindet sich grundsätzlich an dem Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Verfü- gungsmachtübertragung durch die liefernde Person physisch befinden. Die Verfügungsmacht ist hierbei von entscheidender Bedeutung und bezieht sich darauf, wann die Bestellerin die Kontrolle und das Recht zur Nutzung der gelieferten Gegenstände erhält. Die Frage der Verfügungsmacht spielt insbesondere bei internationalen Vertragsverhältnissen zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes eine zentrale Rolle. Denn bei einem Grenzübertritt im Zusammenhang mit einer werkvertraglichen Lieferung in Deutschland liegt die Verfügungsmacht bei der Auftragnehmerin aus der Schweiz. Folglich ist die Schweizer Auftragnehmerin – und nicht die Bestellerin in Deutschland – Importeurin, Zollschuldnerin und vorsteuerabzugsberechtigt für die bezahlte deutsche Einfuhrumsatzsteuer.

Mehrwertsteuerpflicht bzw. Umsatzsteuerpflicht
Beim Erbringen von werkvertraglichen Lieferungen nach Deutschland ist besondere Sorgfalt bei der Qualifikation der zu erbringenden Leistungen geboten. Es gilt die Werklieferung von der Montagelieferung zu unterscheiden. Bei einer Werklieferung wird ein fremder Gegenstand (z.B. eine bereits bestehende Anlage) verarbeitet oder bearbeitet, wobei die leistungserbringende Person selbst beschaffte Stoffe und Materialien verwendet, die nicht als Zutaten/Nebensachen («Klein- /Hilfsmaterial») gelten. Derartige Werklieferungen können im Reverse-Charge-Verfahren (Übertragung der Steuerschuld auf die leistungsempfangende Person) erbracht werden. Damit wird keine Umsatzsteuer des Schweizer Unternehmens in Deutschland fällig. Bei einer Montagelieferung werden hingegen nur eigene Stoffe der leistungserbringenden Person, jedoch keine fremden Gegenstände verarbeitet. Mit der Montagelieferung wird das Schweizer Unternehmen in Deutschland umsatzsteuerpflichtig.Beispiel Werklieferung: Die A AG aus Berlin beauftragt die B AG aus St. Gallen eine neue Schaltanlage (selbst beschafft) für ihre Abfüllanlage (fremder Gegenstand) zu installieren. Die B AG beordert einen Monteur nach Berlin, der die Schaltanlage liefert, installiert und in Betrieb nimmt. Beim deutschen Zoll tritt die B AG als Importeurin und Zollschuldnerin der Schaltanlage auf. Die B AG stellt die Rechnung an die A AG ohne einen Ausweis der Mehrwertsteuer und mit dem Hinweis «reverse charge». Die B AG wird in Deutschland nicht umsatzsteuerpflichtig. Beispiel Montagelieferung: Die C AG aus Hamburg bestellt bei der D AG aus Frauenfeld eine neue Abfüllanlage. Die D AG liefert und installiert die komplette Anlage (eigener Gegenstand) bei der C AG vor Ort. Beim deutschen Zoll tritt die D AG als Importeurin und Zollschuldnerin der Abfüllanlage auf. Die D AG wird in Deutschland umsatzsteuerpflichtig und stellt die erbrachte Leistung an die A AG mit deutscher Umsatzsteuer in Rechnung.In beiden Fällen ist die Schweizer Auftragnehmerin am deutschen Zoll Zollschuldnerin und Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer, da die B AG bzw. D AG die Verfügungsmacht über die Schalt- bzw. die Abfüllanlage zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes innehat. Da bei der Werklieferung keine Steuerpflicht in Deutschland ausgelöst wird, kann die Einfuhrumsatzsteuer durch die B AG nur im Vorsteuervergütungsverfahren in Deutschland zurückgefordert werden. Im Falle der Montagelieferung ist die D AG in Deutschland umsatzsteuerpflichtig und kann die Einfuhrumsatzsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung geltend machen.

Fazit / Empfehlung
Beim Erbringen von werkvertraglichen Lieferungen in Deutschland ist die richtige Qualifikation der Leistungsart essenziell. Das frühzeitige Erkennen einer allfälligen Steuerpflicht in Deutschland erleichtert die Vertragsgestaltung, die korrekte Abwicklung am Zoll sowie die Rechnungsstellung.

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